Die Studie befasst sich aus vergleichender Perspektive mit der Geschichte der Psychiatrie im Nationalsozialismus, der Bundesrepublik und der DDR im Zeitraum von 1941 bis 1963. Im Mittelpunkt der Studie steht die Praxis der Einweisung in psychiatrische Anstalten, die als Prozess der Abgrenzung und der Definition gesellschaftlicher Normalità tsstandards ex negativo begriffen wird.Psychiatrische Anstalten eignen sich in besonderem Maà e als Untersuchungsobjekt, da sie Menschen, die auf unterschiedliche Weise den zeitspezifischen Normalità tserwartungen nicht entsprechen, von der »Gesellschaft« trennen. Die besondere Relevanz der Frage, ob ein Mensch (zwangs-)psychiatrisiert und in eine Anstalt eingewiesen wird, liegt darin, dass es sich hierbei um eine der folgenreichsten »Verhandlungen« über Normalità t in modernen Gesellschaften handelt. In diesem Prozess wird über die Freiheit, Autonomie und Lebenschancen von Individuen ebenso befunden wie über das gesellschaftliche Verstà ndnis von Krankheit und Gesundheit, Normalità t, Sicherheit und »Sittlichkeit«. Diese Studie rekonstruiert die psychiatrische Einweisungspraxis auf der Grundlage von 1424 Patientenakten, Regularien, Kostendiskussionen sowie psychiatrischen Lehrbüchern und Zeitschriften.à ber eine Kombination wissenschafts-, justiz- und alltagsgeschichtlicher Perspektiven leistet sie einen Beitrag zur deutschen Gesellschaftsgeschichte, indem sie die Verhà ltnisse in beiden »totalità ren« Diktaturen und der westdeutschen Nachkriegsdemokratie im Zusammenhang thematisiert.