Rolin hat einen Sinn für das Poetische im Alltà glichen, der ihn neben W. G. Sebald stellt. Für Monate hat sich der Journalist und Romancier Jean Rolin in den billigen Kreditkartenhotels einquartiert, die den Pariser Autobahnring Périphérique sà umen. Er sondiert sein Terrain wie ein General das Gelà nde vor der Schlacht, steigt zu den Boulevards hinab und begegnet auf seinen Streifzügen zwischen Boulevard Ney und Périphérique den Menschen, die den nordöstlichen Stadtrand von Paris bevölkern und in diesem »Zwischenreich« zu Hause sind: Auà enseiter, Clochards, Fixer, afrikanische und osteuropà ische Prostituierte. Er hat dabei Bilder aus dem Leben Michel Neys im Kopf, jenes Marschalls deutscher Herkunft, dem der Boulevard seinen Namen verdankt und den Napoleon einst als den »Tapfersten der Tapferen« rühmte. Aber nicht weniger heldenhaft und tragisch sind die Geschichten von heute, die Rolin von seinen Streifzügen mitbringt - die des Rollstuhlfahrers Cerbäre, der im Brückenpfeiler der Stadtautobahn haust, des Ex- Offiziers Lito, Wachmann bei McDonald's, der aus Kabilas Truppen desertierte, oder der bulgarischen Prostituierten Ginka, die, von Messerstichen zerfetzt, auf der Böschung der Rue de la Clà ture liegt. Voller Empathie, mit einem Hauch von Bitterkeit, aber ohne Zynismus erzà hlt, fügt sich das Kaleidoskop dieser unspektakulà ren Lebensgeschichten zu einem Roman des Lebens.