Das Archiv hat Konjunktur. War es früher lediglich ein Magazin, ein Aufbewahrungsort für Dokumente, eine Sammlung literarischer Hinterlassenschaften, so hat sich seine Funktion in den letzten Jahrzehnten radikal gewandelt.Wurden früher Schà tze aus der Vergangenheit konserviert, öffnet sich das Archiv der Gegenwart: Beschrà nkte man sich auf den Erwerb von Nachlà ssen, werden heutzutage bereits Konvolute von jüngeren Autor*innen aufgenommen, womit dem Archiv eine Definitionsmacht bei der Kanonbildung zufà llt. Nachlassbewusstsein ist bei Schriftsteller*innen ausgeprà gter als in früheren Zeiten. Das Archiv bestimmt die literarische Produktion, sofern sich der Text selbst nicht gleich als Archiv versteht.Das Archiv entwickelt selbst kulturelle Praktiken, wird dank der Digitalisierung von Bestà nden zum virtuellen Ort der Wissensproduktion, durch die Ausstellung des Originals und seiner Aura andererseits zum Museum. Neben der Erweiterung traditioneller Archivarbeit um transnationale Forschungsfelder, Autorenbibliotheken und Verlagsarchive steht im Mittelpunkt des Bandes die Frage nach den Aufgaben eines Archivs im digitalen 21. Jahrhundert.